Im Rankental
Ein schöner Tag endet in Rankental. Die Sonne steht schon tief über den Bergen. In den Dörfern wurde es langsam still. Die Dorfbewohner verschlossen sorgfältig die Türen und Fenster und auch die Ställe. Sie befürchten, dass sie überfallen werden können und haben Angst. Es wurde ein weißer Wolf gesichtet. Er ist fast so groß wie ein Pferd und durchstreift die Wälder. Einige Jäger, die den Wolf gesehen haben, berichten von einem weisen Schimmer um ihn. Doch sie konnten den Wolf weder fangen noch erlegen. Daher sind alle Menschen ängstlich, weil sie nicht wissen, ob der Wolf Mensch oder Vieh reißen würde. Nach einer ruhigen Nacht erwacht der Tag mit dem goldenen Licht der ersten Sonnenstrahlen. Bei einem Pferdezüchter beginnt der Tag schon bei Sonnenaufgang und endet mitunter lange nach Sonnenuntergang. Die Pferdezucht hat große Tradition hier im Tal. Schon seit einigen Generationen hat sich das Gestüt Rimfluss einen Namen im Königreich Ezarath gemacht. So verwundert es nicht, dass die Armee, neben anderen wohlhabenden Käufern, die wichtigsten Kunden sind. Der Züchter ist ein stämmig gebauter Mann von 50 Jahren namens Korlen Rimfluss. Man sieht seinem Gesicht an, das er die meiste Zeit im Freien verbringt. Schon lange glücklich verheiratet mit seiner Frau namens Katera. Neben dem Gestüt, ist seine Tochter Xenea sein ganzer Stolz. Sie ist fünfundzwanzig Jahre alt, von schlanker Figur und hat langes schwarzes Haar, das sie meist zu einem Pferdeschwanz gebunden hat. Sanft erwacht sie, gähnt recht herzlich und streckt sich tüchtig durch. Zügig steht Sie auf und schaut aus dem Fenster, wo ihr das schöne Wetter sofort ein Lächeln in das Gesicht zaubert. Die Sonne strahlt ihr entgegen, durch das Nachthemd kann man die Silhouette ihres Körpers erkennen. Nachdem sie sich noch weiter gestreckt hat, beginnt sie sich umzuziehen. Sie greift sich ihren Bogen und Köcher. Gut gelaunt die Stufen hinunter in Richtung Küche. „Guten Morgen Mutter!“ Sie gibt ihrer Mutter rasch einen Kuss auf die Wange und läuft sofort weiter in Richtung der Stallungen wo sich ihr Vater, befindet. Sobald sie richtig gehen konnte, saß sie bereits am Sattel. Fast unnötig zu erwähnen, dass sie eine mehr als passable Reiterin geworden ist. Ihr tiefes Verstehen der Pferdeseele und ihr Respekt, den sie den Tieren entgegenbringt, lassen Pferd und Mensch zu einer untrennbaren Einheit werden. Xenea übt sich schon früh, so wie die Jäger aus dem Dorf, im Bogenschießen. Auch vom Pferd aus verfehlt sie ausgesprochen selten ihr Ziel. So wurde sie mit den Jahren eine ausgezeichnete Schützin. Doch darf sie an keiner Jagd teilnehmen. Die Jäger, so wie fast alle Männer dieser Zeit, waren der Ansicht, dass die Frauen nicht über die notwendigen Fähigkeiten wie Kraft, Geduld sowie Ausdauer und Mut verfügten oder auch dabei stören. Auch ihr Vater würde sie lieber hinter dem Herd sehen, umringt von einer Schar Kinder. Xenea aber liebt die Freiheit, und macht, was sie will, wozu sie von ihrer Mutter recht ermutigt wurde. „Vater, ich reite zu meiner Freundin ins Dorf rüber und werde erst gegen Abend wieder da sei und mach dir keine Sorgen, wenn es später wird!“ Gezielt läuft sie zu ihrem Lieblings-Pferd, und setzt zum Sprung an, um sich auf das Pferd zu schwingen. „Halt Xenea, warte, ich muss mit dir sprechen! “Ruft ihr Vater nach. Xenea stoppt sofort. Sie weiß, dass sie Vater nicht verärgern soll. „Ja Vater was gibt es? “Antwortet sie sofort darauf. „Ich will, dass du dich im Dorf drüben erkundigst, ob sie auch den Wolf gesichtet haben.“ „Das mache ich Vater. Wir werden auch jagen gehen, da kann ich mich ja umsehen und nach Spuren suchen. „Mädchen, ich bitte dich, pass auf. Nicht dass der Wolf dich noch zum Schluss findet und er dich frisst! “Sagt ihr Vater besorgt mit einem leichten sarkastischen Unterton. Er lächelt dabei, da er es nicht ganz so ernst meint. Er weiß, wie gut sie mit Pfeil und Bogen umgehen kann. Ein Wolf bleibt aber nicht stehen, und ein bewegtes Ziel zu treffen ist bei weitem schwerer. Fraglich auch, ob der weiße Wolf überhaupt mit normalen Pfeilen zu töten ist. Das alles sind die sorgenvollen Gedanken die Xeneas Vater durch den Kopf gehen. „Ich werde dir berichten, sobald ich zurückkomme. Einen schönen Tag dir und Mutter!“ Darauf schwingt sie sich auf das Pferd und lässt einen schrillen Schrei von sich, als ob sie der Welt damit sagen möchte, dass sie kommt. Ihr Vater schüttelt seinen Kopf und sieht ihr lächelnd nach. Xeneas Pferd steigt auf und dann galoppiert sie in Richtung des Nachbardorfes. Es ist nicht nur der weiße Wolf eine Gefahr. In Ezarath gibt es Bären, Wölfe und verschiedene Völker, die den Menschen gefährlich werden können. Im Besonderen müssen die Trolle erwähnt werden. Die im dichtesten Teil des Waldes hausen und sich dort leicht verstecken können. Trolle sind von der Statur dem Menschen ähnlich, aber bei weitem größer. Sie sind schlank gebaut und haben ein langgezogenes Gesicht mit Spitzen Ohren. Hässlich anzusehen sind sie durch ihren Mund. Sie sind mit spitzen Zähnen bestückt, welche die Lippen nicht überdecken können. So liegen die Zähne immer frei und sind entsprechend grausig anzusehen. Diese Trolle sind auf keinen Fall zu unterschätzen. Meist überfallen sie in kleinen Gruppen Reisende, wobei sie es durchaus verstehen ihre Chancen auf Erfolg abzuwägen. Wenn erkennbar ist, dass sie unterliegen könnten, halten sie sich daher versteckt und warteten auf andere Opfer. Oft als Feigheit bezeichnet, ist es taktisch nicht unklug, das eigene Überleben zu sichern. Xenea galoppiert in Richtung Nachbardorf. Aufmerksam sieht sie sich dabei immer wieder die Umgebung genau an, um nicht, wovon auch immer, überrascht zu werden. Das Dorf ihrer Freundin war noch gut zwei Reitstunden entfernt. Was sie trotz aller Achtsamkeit nicht bemerkt, war der Umstand, dass ein weißer Wolf in sicheren Abstand folgt. Auf seiner Stirn kann man ein grünes Leuchten beobachten, welches wie ein Diamant, langsam, aus dem Fell, pulsierend aufleuchtet. Es wird immer stärker bis es von schimmern zu kräftig strahlen wechselt und immer schneller pulsiert. Dabei schaut er Xenea eindringlich an. Diese verspürt daraufhin eine unerklärliche, aber auch unnachgiebige Müdigkeit. Obwohl das sehr außergewöhnlich ist, nimmt Sie es, durch den unbemerkten Einfluss des Wolfes, als selbstverständlich hin. Sie sucht sich einen Rastplatz in der Nähe an einem Flussufer. Sie schaut, horcht, ja fühlt in den Wald hinein. Dann schwingt sie sich vom Pferd und macht es sich an einem Baum gemütlich, an den sie sich anlehnt. Der Fluss unterstützt ihre Müdigkeit, durch sein gleichmäßiges, murmelndes plätschern. Xeneas Pferd scheint durch nichts beunruhigt zu sein, schnauft kurz und beginnt gemütlich zu grasen. Xenea muss einige Male gähnen und die Augen fallen ihr langsam zu. Der Wolf fixiert sie aus seiner Deckung. Das grüne Mal an seinem Kopf veränderte seine Intensität nun in größeren Abständen. Xenea, bereits eingeschlafen, beginnt dadurch zu Träumen. Sie sieht kämpfende Frauen, Kriegerinnen in Rüstung, die ihren Gegnern absolut ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen sind. Sie kämpfen auf eine Art, die sie noch nie gesehen hatte. Sie sind damit ausgesprochen erfolgreich. In diesem Traum hört sie, wie die Kriegerinnen auch Ihren schrillen Schrei nachahmen, wie sie es gerne macht. Im nächsten Moment bietet sich ein anderes Bild. Sie sieht sich selbst und neben ihr steht der weiße Wolf. Seine Größe ist unglaublich, denn sie kann ihm stehend direkt in die Augen blicken. Er sieht sie an und es schient als hätte er direkten Kontakt zu ihrer Seele. Mit ruhiger, Stimme sagt er zu ihr. „Diese Kriegerinnen! Das wird deine Aufgabe werden!“ Xenea schreckt aus ihrem Traum hoch. Aufgewühlt, verwirrt und kurz orientierungslos springt sie auf, als ob jemand einen Kübel kaltes Flusswasser über sie geschüttet hätte. Auch das Pferd in ihrer Nähe scheut erschrocken hoch. Keuchend atmet sie durch, um das Erlebte zu verarbeiten. Sie fragt sich was sie mit dem weißen Wolf zu tun hat. Sie sieht sich um und nimmt eine Bewegung in den Sträuchern gegenüber dem Fluss wahr. Die Büsche bewegen sich, wenn auch zaghaft, als ob sich jemand oder etwas, sich einen Weg bahnen muss. Die Bewegung der Sträucher wird immer schneller und endlich sieht sie, wer ihr gegenüberstand. Es war der weiße Wolf aus ihrem Alptraum. Mächtig und so groß wie sie ihn in Erinnerung hat, steht er majestätisch, ja fast gebieterisch da. Nur noch der Fluss hielt sie voneinander getrennt. Wer weiß schon, was dieser Wolf noch vorhat. Langsam geht sie zu ihrem Pferd. Holt aus dem Köcher einen Pfeil und nimmt den Bogen vom Sattel. Sie legt einen Pfeil in die Sehne ein und beginnt den Bogen zu spannen. Sie möchte noch nicht schießen, da trotz aller Mächtigkeit des Wolfes, nicht bedrohlich auf sie wirkt. Mehr um alle Möglichkeiten einzuschließen, legt sie auf den Wolf an. In diesen Moment weicht der Wolf zurück und senkt den Kopf, als ob er sich verbeugen möchte. Dann zieht er sich zurück und verschwindet. Erleichtert senkt sie den Bogen und steckt ihn zurück an ihr Pferd. Sie steigt auf und macht sich wieder auf den Weg zu ihrer Freundin. Im Gedanken lässt sie das Erlebte noch einmal ablaufen. Es war ihr unheimlich was sie im Traum sah und zugleich ein Rätsel. Auch die kämpfenden Frauen mit ihrer Kampfkunst gegen die Monster oder was auch immer das war. Sie fand es für Frauen ungewöhnlich, aber auch faszinierend. Darauf steigt sie auf und reitet in Richtung ihrer Freundin.